ع، (عین)

(ع ب د)

ʿbudū, (اعبدوا) 2:21, 4.

entstammt der Wurzel (ع ب د). Dieses Wort wird als absolute Demut, Erniedrigung und Weichheit verstanden. Manchmal verliert ein verletztes Kamel seine gesamte Wolle. Dieses Kamel trennt man von den anderen Kamelen und behandelt seine Wunde mit einem speziellen Öl. Die Wunde, die dieses Leiden verursacht hat, nennt man (العَبَد). Das verletzte Tier hält in diesem Zustand bei der Behandlung völlig still, ist gehorsam und bewegt sich nicht. Diesen Zustand bezeichnet man als (تَعَبُّد). Ein solches Kamel nennt man (البعیر المُعَبَّد) und manchmal sagt man, dass die Verletzung das Kamel demütig und ruhig gemacht hat (هو الذي‏ عَبَّدَه‏ الجَرَبُ أَي ذَلَّلَهُ). Nach dieser Beschreibung treten weitere Bedeutungen des Begriffs deutlicher zu Tage, nämlich die Weichheit, das Nicht-Aufbegehren und der absolute Gehorsam. Wenn ein Weg zum Beispiel sehr oft benutzt wird, wird er ausgetreten und alle Unebenheiten verschwinden, so dass alle größeren Steine zerbröckeln und flach getreten werden. Einen solchen Weg nennt man (طریقٌ مُعَبَّد), (Ṣāḥib IbnʿIbād 1993) (Ibn Manẓūr 1993). Ebenso nennt man einen Nagel (مُعَبَّد), weil der Hammer auf ihn geschlagen wird und der Nagel das macht, was der Hammer will. Diese Verwendungen des Begriffes zeigen hier also, dass der „‛ābid“ (عابد) als ein „Dienender“ bzw. „Anbetender“ jemand ist, der über jede innere und äußere Auflehnung Gott gegenüber gesiegt hat und ihm gegenüber demütig, weich und gehorsam geworden ist. Die wahre Anbetung (عبودیت) lässt sich nach Imam Sadiq (a.) in drei Handlungen zusammen fassen: 1. dass der Mensch sich nicht als Besitzer dessen betrachtet, was Gott ihm gegeben hat, weil den Dienern an sich nichts gehört, so dass jeglicher Besitz als „Besitz Gottes“ betrachtet wird und auf Gottes Geheiß hin Verwendung findet, 2. dass der Mensch nicht für seine Ichsucht plant, und 3. dass er sich mit den Dingen beschäftigt, die Gott erlaubt bzw. verboten hat (Al-Ṭerīḥī 1996).

 

(ع ق ل)

تعقلون, (taʿqilūn) 2:44, 7.

entstammt der Wurzel (ع ق ل), womit gemeint ist, dass man etwas zusammenbindet. Wenn ein Kamel sitzt, bindet man den unteren und oberen Teil seines Knies mit einem Seil zusammen, das (عقال,ʿIqāl) genannt wird. Die Aktion selber nennt man (عَقَل,ʿaqala). Auch über die Genesung eines Kranken, der an Durchfall litt sagt man (عَقَلَ‏ بطن المريض بعد ما استطلق). Ebenso wird das Gefängnis manchmal (العقل) genannt (Farahidi 1988). Wie durch die verschiedenen Anwendungen des Begriffs klar wird, hat dieses Wort mit „einsammeln, binden und kontrollieren“ zu tun. Im Koran und den Überlieferungen wird bezüglich dieses Wortes auf ein Licht hingewiesen, durch das der Mensch Gutes und Schlechtes voneinander unterscheiden kann. In Wirklichkeit ist „ʿaql“ ein Licht, dass durch das Beleuchten der Tatsachen illustriert, wie wir uns zu definieren haben. Im Koran beleuchtet dieses Licht sowohl die existierenden Dinge, wie sie sind, als auch die Pflichten, wie sie sein sollten. Ebenfalls verleiht uns Gott durch dieses Licht Erkenntnisse über uns selbst. Also ist im Koran „ʿaql“ die Gesamtheit des göttlichen, des praktischen und des theoretischen Intellekts, sowie der Fähigkeit des Umgangs mit den Begriffen. Im Deutschen ist es sehr schwer, einen Begriff zu finden, der alle vier Bedeutungsebenen enthält. Zum Beispiel über eine der Möglichkeiten, nämlich das Wort Vernunft, lesen wir:

Vernunft ist eine Abstraktbildung zu dem unter nehmen (s. d.) behandelten Präfixverb vernehmen in dessen alter Bedeutung ‘erfassen, begreifen’, bezeichnet also ‘das richtige Auffassen, Begreifen, Aufnehmen’ (Pfeifer 2003).

Wie man sieht, steckt in der Wurzel dieses Wortes der Begriff „begreifen“, was auf „einsammeln“, „binden“ und „packen“ hinweist. Seit Kant wird der Begriff Vernunft eher mit der theoretischen Seite und der Begriffsfindung in Verbindung gebracht. Eine weitere Option ist das Wort „Verstand“, aus dessen Wurzel wir Folgendes ableiten: ‚im Wege stehen, versperren, verwehren‘. Auch dieser Begriff wird nach Kant eher auf die Fähigkeit bezogen, Begriffe zu begreifen. Eine weitere Option wäre „Ratio“, was eher auf „Rechnen“ und „Aufdeckung der Ordnung der Dinge“ bezogen wird:

Rechnung, Berechnung, Rechenschaft, Denken, Denkvermögen, Vernunft, Grund, Maß, Gesetzmäßigkeit, Ordnung, Methode, Prinzip’, einer Bildung zu lat. ratus ‘berechnet, durch Rechnung bestimmt’, Part.adj. zu lat. rērī ‘meinen, glauben, urteilen, dafürhalten’  (Pfeifer 2003).

Zusätzlich zu den Unzulänglichkeiten dieser Bedeutungsebenen, kann dieses Wort nach Descartes und dem Rationalismus keine gute Übersetzung für (عقل) sein. Eine weitere Option ist „Logos“, in dem die folgenden Bedeutungen verborgen sind:

lógos (λόγος) ‘das Sprechen, Wort, Rede, Gegenstand der Rede, Rechnung, Berechnung, Denkvermögen, Vernunft, Ansicht, Meinung  (Pfeifer 2003).

Aber auch in diesem Wort steckt die Bedeutungsebene von „auswählen“ (oder die praktische Ebene) nicht. Ein größeres Problem besteht darin, dass dieser Begriff im Laufe der Geschichte immer mehr einen besonderen philosophischen und christlichen Beigeschmack bekommen hat, der zu einem Fehlverständnis des Korans führen könnte. Was wir vorschlagen und gewählt haben, ist das Wort Intellekt, über dessen Etymologie wir lesen:

intelligere (älter intellegere) ‘innewerden, verstehen, erkennen’, eigentl. ‘dazwischen wählen’ (lat. inter, legere), d. h. ‘eine überlegte Wahl treffen  (Pfeifer 2003).’

Auch wenn dieses Wort die Bedeutungen „binden“ und „einschränken“ nicht beinhaltet, so ist es doch aus drei Gründen angemessener als die anderen Begriffe: 1. es weist auf die theoretische Seite von (عقل) hin, 2. von seiner Wurzel her, hat es mit „auswählen“ zu tun, 3. es wurde in der Theologie schon benutzt, sodass seine Verwendung in Bezug auf die Religion nichts Neues ist.

Über die arabische Wurzel des Begriffs gibt es weitere Ergänzungen, die an verschiedenen Stellen erwähnt werden. Hier müssen wir darauf achten, dass die Aussage „a-fa-lā taʿqilūna“ (افلاتعقلون) unter Beachtung der oben angeführten Untersuchungen bedeuten müsste: „Euer Intellekt begreift die Aussagen dieser Verse und erleuchtet Euch, so dass er das Gute in ihrer Befolgung deutlich macht. Ist es deshalb nicht angebracht, sich in Folge dieser Erleuchtung zu zügeln und danach zu handeln?“

 

(ع ل م)

ʿAlam, (عالم)    1:2, 1.

ist von der Wurzel (ع ل م) hergeleitet und ist etwas, mit dessen Hilfe man Wissen (ʿilm) erlangt. Grammatikalisch gesehen besitzt dieses Wort die gleiche nominale Modellstruktur wie „ḫātam“ (خاتَم), der Siegelring, welcher ein Werkzeug zum Stempeln ist. „ʿĀlamīn“ (عالمین) umfasst also die gesamte Schöpfung, mit all ihren Geschöpfen, weil man durch sie Wissen erlangt. Die Geschöpfe sind demnach „wissenswert“ und verweisen gleichzeitig als „Zeichen“ Gottes auf seine Existenz.

über uns

Auf dieser in der Entstehung begriffenen Internetseite wird Ihnen ein Übersetzungsprojekt des Koran in deutscher Sprache vorgestellt, dass im Juli 2013 durch eine Gruppe von Islamwissenschaftlern, Theologen und Philosophen begonnen wurde.

 Ausgehend von einer Sichtung und Untersuchung der vorhandenen Koranübersetzungen in deutscher Sprache, haben wir uns besonders auf die Übersetzungen seit dem Jahre 2000 konzentriert und sind zu der Entscheidung gelangt, eine neue Übersetzung mit etymologischer Herleitung einiger koranischer Schlüsselbegriffe und einem kurzen Kommentar (tafsir) zu erstellen.

 Methodisch haben wir uns zum Ziel gesetzt, eine Übersetzung ausgehend vom Originaltext anzufertigen, die möglichst nahe am arabischen Text ist und keine Ergänzungen oder Hinzufügungen von Seiten der Übersetzer enthalten soll. Alles, was erklärt werden muss, ist entweder in Fußnoten zu finden, oder in der etymologischen Herleitung, bzw. im Kommentar.

 Unsere Grundlage bei der Wahl von Wortentsprechungen im Deutschen sind die Wurzeln oder Radikale der jeweiligen arabischen Wörter. Durch eine Untersuchung der arabischen Wurzeln, der verschiedenen Ableitungen und Bedeutungsebenen und deren Vergleich mit Möglichkeiten in der deutschen Sprache, versuchen wir, eine Einheitlichkeit in die Übertragung arabischer Wörter ins Deutsche zu bringen. Soweit es möglich ist, halten wir diese gemeinsame Grundlage der Ableitungen arabischer Wurzeln in den verschiedenen Verbal- oder Nominalformen durch und wählen nur ein anderes Wort im Deutschen, wenn das Verständnis durch die Verwendung der eigentlichen Bedeutung aus der arabischen Wurzel erschwert oder unmöglich wird.

 Bei der etymologischen Herleitung haben wir für jede Koranseite ca. 4 koranische Begriffe und ihre Wurzeln ausgewählt, die wir anhand klassischer Werke der arabischen Sprache und Grammatik wie „Mufradāt ar-Rāġib“, „Lisān al-ʽarab“, „

„Qamuso l-Loġah“ oder „Meṣbaḥo l-Monīr“... untersuchen, um davon ausgehend die gemeinsame Bedeutungsgrundlage in allen Ableitungen dieser Wurzeln festzustellen. Diese Grundlage versuchen wir dann ins Deutsche zu übertragen, um eine möglichst gute und konsequente Übersetzung zu finden.

 Bei unserem Kommentar verfolgen wir einen rationalistischen Ansatz, der aus unserer Sicht dem Geist des Koran entspricht. Der Mensch, seine Beziehung zu Gott, zu den Menschen und zur Schöpfung steht bei unserer Betrachtung im Vordergrund.

 Unser Kommentar basiert nicht nur auf den Gedanken der Autoren, sondern ist der islamischen Tradition begründet, weshalb wir schiitische und sunnitische Tafsir- Quellen, Hadithe und Überlieferungen aus den wichtigsten klassischen Quellen benutzen.

 Wir möchten die anderen existierenden Koranübersetzungen nicht ersetzen, sondern eine neue Methode bzw. einen neuen Weg bei der Koranübersetzung vorstellen.

 Darüber hinaus hoffen wir, dass unsere Übersetzung dem deutschsprachigen Leser ein besseres und tieferes Verständnis ermöglicht und ihn der Welt des Koran und der damit verbundenen Kultur näher bringt.

 Diese Seite dient dazu, unser Vorhaben transparenter zu machen und dem interessierten Leser zu ermöglichen, mit seiner Kritik aber auch mit Lob auf unsere Übersetzung zu regieren, unsere Arbeit dadurch zu bereichern, so dass auf diese Weise ein neuer Diskurs zum heiligen Koran entsteht.